Ich mache das nicht zum ersten Mal. Ich habe Übung. Mein Sohn ist schon fast 27. Hat gut geklappt. Jetzt ist meine Tochter dabei, mir über den Kopf zu wachsen. Ganz ehrlich, das ist schon geschehen. Wenn ich es nötig hätte, dann müsste ich schon länger von hier unten nach dort oben schimpfen. Aber ich habe es nicht nötig. Wir verstehen uns und Schimpfen war sowieso nie mein Stil. Dann schon eher das Nachsinnen darüber, was es bedeutet, wenn die Kinder plötzlich so erwachsen werden. Hat das Konsequenzen für mich?
Ich glaube, wir legen den Grund für eine harmonische Beziehung zu unseren Kindern durch Lob und Achtung. Mir war immer daran gelegen, meinen Kindern zu zeigen, welch einzigartige Geschöpfe sie sind. Darunter wollte ich es nicht machen. Das funktionierte für mich nicht. Aber was funktioniert hat, das war meine Idee von Freiheit in der Erziehung. Jedes Kind und jeder junge Mensch hat ein Recht darauf, den eigenen Stil zu entfalten und sich umfangreich auszuprobieren. Mir muss das nicht gefallen. Dazu bin ich nicht da. Meine Aufgabe als Mutter habe ich immer darin gesehen, möglichst häufig still zu sein und mein Herz sprechen zu lassen. Ich wusste, dass sich Erwachsenwerden auch anfühlen kann wie ein Hineinfließen in das große Leben. Da muss es keinen Stress und Streit geben. Nicht unbedingt und auch nicht per Naturgesetz. Da darf Kreativität und Eigensinn sein. Einen Dickschädel habe ich zuweilen auch und ich bin stolz darauf.
Kinder tun nichts, von dem du sagst: »Das musst du jetzt tun.« Sie geben sich höchsten geschlagen. Willst du das? Aber gerne werden sie sich anschauen, was du so machst. Und irgendwann nehmen sie sich die eine oder andere Sache zum Vorbild. Das kann dauern. Vielleicht Wochen, Monate, vielleicht Jahrzehnte. Aber sie werden es tun. Für mich war das Anlass genug, ab und an zu überlegen, ob es vorteilhaft für die Beziehung zu meinen Kindern und ihre Bildung ist, wie ich mich gebe. Ich kam zu dem Schluss, dass es da keine Patentlösung gibt. Aber was du machen kannst, da habe ich Vorschläge: Du kannst ehrlich und echt sein, du kannst deinen Kindern vertrauen und sie vor allen Dingen nicht im Unklaren lassen. Junge Leute haben es nicht verdient, spekulieren zu müssen. Rede mit ihnen, schau ihnen in die Augen und zeige ihnen, was du unter Liebe und Mitgefühl verstehst.
Übt das gemeinsam. Jetzt ist eine gute Zeit. Sie könnte gar nicht besser sein. Macht euch gemeinsam daran, die wundervolle Kraft der Selbstliebe kennenzulernen. Redet über eure Ziele, eure Träume und Wünsche. Wie inspirierend ist das für junge Leute, wenn sie spüren, dass ihre Eltern, dass die Älteren überhaupt noch sprühen vor Lebenslust. Dass da noch was geht. Und dass das Älterwerden immer spannend bleibt. Gib deinen Kindern eine Perspektive für die Zukunft. Das war selten so wichtig wie heute. Und es war immer wichtig.